Kreislaufwirtschaft

Nutzt urbane Minen!

„Wenn Gebäude dennoch abgerissen werden, müssen Rohstoffe systematisch erfasst und zurückgewonnen werden. Primärrohstoffe sind endlich, sodass die Verwendung von Sekundärmaterialien unabdingbar wird.“ Quelle: Architects4Future 1

Europas Bauwirtschaft boomt, sie ist der Motor des Wirtschaftswachstums und einer der größten Arbeitgeber. Doch dieser Trend hat enorme Schattenseiten - der ökologische Fußabdruck ist riesig.

Um Sand, Kies und andere mineralische Baustoffe zu bekommen, werden in Deutschland jeden Tag etwa 4 ha landwirtschaftliche Fläche abgegraben. Das sind 4 ha jeden Tag, die u.a. für die Nahrungsmittelproduktion und den Klimaschutz fehlen, denn ein humusreicher Boden ist die beste CO2-Senke, die es gibt.²

Viele Stoffe, die bereits einmal der Natur entnommen wurden, können wiederverwendet werden. Städte sind ein riesiges, von Menschen geschaffenes Rohstofflager.

2019 kam Deutschland laut Statistischem Bundesamt auf knapp 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle. 4

Bauschutt aus abgerissenen Gebäuden kann zerkleinert werden, es entsteht dann ein sekundärer Rohstoff, oft Recyclamat genannt, der „frischen“ oder primären Sand und Kies ersetzen kann. Beton, der mit diesem Recyclamat hergestellt wird, nennt man Recycling-Beton oder RC-Beton. Einen Beton aus 50% Recyclamat und 50% primärem Rohstoff nennt man 50% RC-Beton.

Wie man Bauschutt in Recyclamat umwandelt, lässt sich hier in einer 3:30- min-Video-Sequenz zu dem Thema von 2019 verfolgen:

ARJES TITAN 950 - Beton und Bauschutt - YouTube

Heutzutage kann bis zu 90% des anfallenden Bauschutts beim Gebäudeabriss wiederverwertet werden13 . Statt den Bauschutt in eine Deponie zu transportieren, kann man ihn im Hochbau wieder in Form von Recycling-Beton einsetzen3 - eine deutlich nachhaltigere Methode, als immer neue Kiesgruben anzulegen.

Video: Häuser aus Recyclingbeton - W wie Wissen - ARD | Das Erste. 

26.08.17 | 06:01 Min. | verfügbar bis 26.08.2022

Seit Jahren werden Häuser im Ausland schon aus Recycling-Beton gebaut. In Deutschland ist Alt-Beton immer noch ein Abfallprodukt, während es in den Niederlanden, wie auch in Österreich¹⁷ und der Schweiz, ein Wertstoff ist. In diesen Ländern ist Bauen mit RC-Beton schon verbreitet. Alle öffentlichen Gebäude in Zürich beispielsweise, die aus Beton gebaut sind, müssen seit 2005 mindestens 50% RC-Beton verwenden. ¹⁹

Trotz fehlender gesetzlicher Vorschriften wurden Häuser aus Recycling-Beton auch in Deutschland bereits gebaut, zum Beispiel in verschiedenen Orten in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz¹⁵, in Eschweiler^6,7 bei Aachen und Berlin¹⁶. In Ludwigshafen wurde ein sechsstöckiges Gebäude aus diesem recycelten Beton errichtet, das sogar mit dem deutschen Bauherrenpreis ausgezeichnet wurde (2012).²⁰

Seit 2014 ist bekannt, dass „frischer“ Beton für viele Anwendungen komplett durch 100%-RC-Beton ersetzt werden kann. Das heißt, Beton aus 100% recyceltem Material kann benutzt werden wie Beton aus frisch abgebaggertem Sand und Kies.⁹

Wie gut Recycling-Beton ist, hat die Baustoff-Expertin Angelika Mettke mehrfach prüfen lassen. Ihr Resümee: "Recycling-Beton hat die gleiche Qualität wie normaler Beton." Er sei absolut gleichwertig. "Da gibt es überhaupt keine Einschränkung", urteilt die Professorin der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. ³

Technische Entwicklung gehen weiter mit dem Ziel primäre Ressourcen zu schonen und durch nachhaltige Materialen zu ersetzen. Zum Beispiel in der Produktion von Beton-Fertigteilen für den Hausbau: So entwickelte die Firma Büscher in Münster ein Verfahren, mit dem aus alten Abrissmaterial ein innovativer Baustoff entsteht, der als Ersatz für Kies und Sand dient. Damit gelingt es Betonfertigteile zu 75 Prozent aus alten Materialien herzustellen, bei denen die primären Rohstoffe Kies/Körnung/Sand zu 100 Prozent ersetzt werden.⁴

Sand für die Verwendung in Beton ist weltweit knapp, was zu enormen Umweltschäden führt, da der Sand aus Flussdeltas und Küstenregionen entnommen wird. In Deutschland wurde ein neues Verfahren entwickelt, um Wüstensand und Feinsand, der beim Betonrecycling anfällt, für die Betonherstellung geeignet zu machen ²¹ . Ein weiteres neues, in Deutschland entwickeltes Verfahren verwendet Flugasche aus Kohlekraftwerken, um einen synthetischen Sand herzustellen, der sich für die Betonherstellung eignet ²². Der mit beiden Sandarten hergestellte Beton hat bei vielen Bauanwendungen gleich gute, wenn nicht sogar bessere Eigenschaften als Beton aus Quarzsand. Es wird erwartet, dass die Kosten für diese Produkte unter denen von Quarzsand liegen werden.

Die Zementproduktion ist derzeit für 8 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich¹¹. Heute ist Zement zwar immer noch ein wesentlicher Bestandteil auch der Produktion von RC-Beton, doch macht dieser auf jeden Fall die Aufschüttung von Bauschutt und die Beseitigung von Ackerland zur Gewinnung von Primärsand und -kies überflüssig. Inzwischen wurden auch schon zementreduzierte, klimapositive, Alternativen zu Beton für den Massivhausbau entwickelt. Beispiele hierfür sind: Holzbeton ¹¹ und Hanf-Kalk ¹² (als Ausfachung für Holzrahmenhäuser).